ChatGPT, Jasper.ai, DALL·E & Co

Wie künstliche Intelligenz unsere Kommunikation und Wahrnehmung beeinflusst

“Wow! Welches Tool für künstliche Intelligenz hast du dafür genutzt? Das sieht wunderschön aus.” – Dies war eine der ersten Reaktionen, als eine Design-Kollegin neulich einige ihrer freien Arbeiten auf Instagram teilte.

Ich fand das sehr spannend, denn in diesem Kommentar schwingt zwischen den Zeilen einiges mit, das zu meiner persönlichen Beobachtung passt:

  • Künstliche Intelligenz (KI) zur Generierung von Texten, Bildern oder Musik ist in unserem Alltag angekommen und leicht zugänglich für jeden
  • wir trauen KI Erstaunliches zu
  • Unterschiede zwischen menschgemachten und KI-generierten kreativen Arbeiten (Texte, Bilder und Musik) sind auf den ersten Blick oft nicht erkennbar

Welche Auswirkungen hat das auf Kommunikation und Wahrnehmung der Arbeit von Kreativschaffenden?

01.02.2023 | Christina

Chat GPT & Co – der neue digitale Spielplatz gegen die Angst vor dem leeren Blatt

Künstliche Intelligenz ist nicht erst seit dem Medien-Hype um ChatGPT ein Thema, sondern schon seit Jahren selbstverständlicher Teil unseres Alltags. Vielleicht nutzt du KI häufiger, als dir bewusst ist: Beispielsweise wenn Google Maps dir den Weg weist, du dich von Pinterest inspirieren lässt oder viel zu viel Zeit auf Facebook verbringst, weil es dir perfekt für dich maßgeschneiderte Inhalte vorschlägt.

Durch die aktuelle Präsenz in den Medien und die leichte Zugänglichkeit sind nun auch generative KI-Tools zum Erstellen von Texten, Bildern, Musik und sogar Videos zu einem neuen digitalen Spielplatz geworden. Wer bei Kreativ-Aufgaben angesichts des leeren Blattes unter Ideenlosigkeit leidet, wird über die schnellen und oft überraschend guten Ergebnisse staunen. Die Verlockung ist groß, weniger selbst zu denken und mehr von der KI erledigen zu lassen.

Auch ich experimentiere seit einigen Monaten spielerisch mit Jasper.ai und weiteren KI-Tools zum Schreiben von Texten und Quellcode und zur Bildgenerierung. Ich staune, lerne und verstehe: Das ist der Beginn von etwas Großem.

Und zugleich beobachte ich bei mir selbst und in meinem Umfeld interessante Veränderungen in Bezug auf Bedürfnisse in der zwischen­menschlichen Kommunikation und den Blick auf kreative Arbeit. Als Kommunikations­designerin sind das genau meine Themen.

Und so geht es in diesem Artikel nicht um die Arbeits­erleichterung durch KI im Alltag oder wie du Künstliche Intelligenz in deinem Business nutzen kannst. Stattdessen spreche ich über meine Beobachtungen in einer Welt, in der KI für jeden zugänglich ist und den Alltag mehr und mehr durchdringt. Daraus ziehe ich meine persönlichen Schlüsse aus dem Blickwinkel als Gestalterin, KI-Anwenderin und Konsumentin von KI-generierten Inhalten.

Ist das Kunst oder hat das eine KI generiert?

Mit Tools wie DALL·E und Midjourney lassen sich im Handumdrehen Bilder generieren. Neu ist das Thema nicht – Künstliche Intelligenz hat schon vor einigen Jahren Einzug in die Kunst gehalten.

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2016 begann der Maler Roman Lipski künstliche Intelligenz als Muse für seine Malerei zu nutzen und entwickelte einen Prozess gegenseitiger Inspiration: Die KI wird mit seinen Werken trainiert und generiert daraus neue Ideen, die Lipski dann aufgreift und sie wiederum in das KI-System einspeist.

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Da kommt schnell die Frage nach der Zukunft kreativer Berufe auf. Wozu einen Designer beauftragen, wenn eine KI den Job viel schneller und günstiger erledigt?

Und lässt sich eigentlich unterscheiden, ob ein Kunstwerk von Menschen gemacht oder durch eine KI generiert wurde? Das habe ich natürlich selbst ausprobiert. Hier ein Beispiel: Die folgenden Bilder hat DALL·E nach meinem Briefing in wenigen Sekunden erstellt.

Bildquelle: Christina × DALL·E
Prompt: make a hilarious mixed media collage with the following elements: a cat, a girl, a carpet, a key and a robin

Meine Vorgabe (= Prompt) dafür lautete: “make a hilarious mixed media collage with the following elements: a cat, a girl, a carpet, a key and a robin

Über Ästhetik und Treffergenauigkeit lässt sich wohl streiten. Dennoch finde ich die Ergebnisse erstaunlich und würde zunächst nicht auf KI-generierte Grafiken tippen. Allerdings steckt der Teufel im Detail, aber dazu später mehr.

Die naheliegende Vermutung, dass die Bilder einfach aus Fundstücken im Internet zusammengesetzt wurden, trifft übrigens nicht zu. Eine Rückwärtssuche der Bilder und einzelner Bildausschnitte bei Google bleibt ergebnislos.

Handelt es sich also tatsächlich um neu geschaffene grafische Inhalte? Und wenn ja, wer hat das Urheberrecht an KI-Kreationen? Das schauen wir uns im nächsten Abschnitt an.

Kann ein Algorithmus genauso schöpferisch tätig werden wie ein Mensch? Und was bedeutet das für Künstler, Designer und andere Kreativschaffende?

Als Gestalterin weiß ich nur zu gut: Kreativität entsteht nicht im luftleeren Raum. Sie braucht Impulse von außen. Für mich sind es oft Beobachtungen in der Natur, inspirierende Gespräche, eine Wahrnehmung aus dem Augenwinkel. Aber auch Museumsbesuche und die Auseinandersetzung mit den Werken anderer. Diese Impulse fallen auf einen fruchtbaren Boden aus Erlebnissen und Wahrnehmungen, die wir als Menschen unser gesamtes Leben lang sammeln. Ideen entstehen nach meinem Verständnis aus der Verbindung frischer Impulse mit diesem fruchtbaren Boden.

Auch die KI braucht externe Impulse. Sie kann nur Neues erschaffen auf der Basis ihres bisherigen Inputs. Erhält sie einen Auftrag, so generiert sie etwas Neues aus vorhandenen “Lernerfahrungen”. Im Klartext bedeutet das: eine KI, die nie mit Bildern einer bestimmten Stilrichtung gefüttert wurde, kann auch keine neuen Werke in diesem Stil produzieren.

KI-Systeme werden deshalb mit großen Mengen vorhandenen Materials trainiert – Werken von Künstlern, die meistens dem Urheberrecht unterliegen.

Besonders spannend finde ich das Beispiel eines Rembrandt-Gemäldes, das 2016 komplett künstlich erschaffen wurde und mithilfe eines 3D-Druckers sogar den charakteristischen Pinselstrich des Künstlers imitiert. Hier geht’s zum Video auf YouTube.

Was würde Rembrandt wohl dazu sagen?

Als Gestalterin habe ich großes Verständnis für die Proteste von Künstler:innen, deren Werke ungefragt in die KI eingespeist und nun als stilistische Basis für neue KI-Arbeiten genutzt werden.

Bildquelle: Christina × DALL·E
Prompt: two cats riding a tandem bike in the evening sun on a lonely street 4k highresolution eward hopper style

„DALL·E, mal mir ein Bild von zwei Katzen auf einem Tandem im Stil Edward Hoppers“

Als Nutzerin von KI-Tools zur Bildgenerierung finde ich es spannend, mit verschiedenen Prompts (Formulierungen eines Auftrags) zu experimentieren.
Manchmal werde ich positiv überrascht. Oft enttäuschen mich die Ergebnisse jedoch. Das dürfte vor allem an fehlender Erfahrung bei der Formulierung des Auftrags liegen. Denn das sogenannte Prompting ist eine Wissenschaft für sich.

Es ist die eine Sache, hier und da einen lustigen Zufallstreffer zu landen. Doch als Gestalterin bin ich fast immer an Serien interessiert: eine Serie von Illustrationen oder Icons im selben Stil. Eine Reihe von Fotos, die dieselbe Handschrift tragen. Damit das annähernd möglich ist, muss ich der KI exakt beschreiben, was ich will.

Könnte genau das eine eigene Kunstrichtung werden? The Art of Prompting? Ein neuer Berufszweig ist es bereits, jedoch eher auf technischer Ebene: Prompt Engineering.

Ich bin überzeugt, dass Algorithmen die Arbeit von Kreativschaffenden nicht ersetzen können, sie jedoch stark verändern werden. Zugleich könnte sich unser Verhalten als Konsument:innen ändern: Möglicherweise begegnen wir Bildern, Texten, Musik etc. in Zukunft immer häufiger mit der Frage nach der Quelle, bevor wir uns von Herzen auf sie einlassen.

Referenzen auf Homepage Logos

Der Wunsch nach Gewissheit: Kommuniziere ich gerade mit einem Algorithmus oder mit einem Menschen?

Bei mir selbst beobachte ich das Bedürfnis zu unterscheiden zwischen “echt und künstlich”. Ich möchte wissen, ob eine Grafik / ein Text / ein Musikstück von einem fühlenden Wesen geschaffen wurde oder von einem Computer. Das gleiche Bild, die gleiche Erzählung fühlt sich je nach Quelle für mich anders an.

Stell dir vor, du betrachtest ein Kunstwerk in einem Museum. Du nimmst es mit all deinen Sinnen wahr, du gehst in einen stillen inneren Dialog mit der Künstlerin oder dem Künstler. Du möchtest das Werk verstehen, es einordnen. Und während du in deine Wahrnehmung vertieft bist, entdeckst du ein kleines Schild: “Dieses Werk wurde vollständig durch künstliche Intelligenz generiert.”

Verändert das etwas für dich? Möchtest du weiterhin eine Verbindung zu diesem Kunstwerk aufnehmen?

KI-Artikel Poll 1 (#12)

Du kannst anonym abstimmen und bekommst direkt im Anschluss das Gesamtergebnis der Abstimmung angezeigt.

Für mich persönlich würde sich in diesem Moment etwas grundlegend verschieben: weg vom Wunsch nach emotionaler Verbundenheit – hin zu einer sachlichen Anerkennung der technischen Möglichkeiten. Vielleicht kurze Bewunderung (Wow, was alles möglich ist! Welcher Prompt wurde hier wohl genutzt?), aber eher ein Gefühl der Enttäuschung. Ent-täuschung. Ein Ende der Täuschung. Eine Illusion.

Die Sehnsucht nach dem Echten

Je mehr ich mit KI-Tools experimentiere und erlebe, wie (fast erschreckend) menschgemacht die Ergebnisse erscheinen können, desto mehr wächst meine Sehnsucht nach dem eindeutig realen, lebendigen. Nicht nur in der Kommunikation, sondern auch im Alltag entdecke ich ein Bedürfnis nach Echtheit, nach analogem Tun.

So habe ich nach langer Zeit des ausschließlich digitalen Zeichnens auf dem iPad nun wieder mein Skizzenbuch und den Aquarellkasten hervorgeholt. Mit Farbresten unterm Fingernagel male ich fünfmal dasselbe Motiv, weil “Strg + Z” analog eben keine Option ist.

Mein Fokus verschiebt sich weg vom Ergebnis hin zum Prozess und der gesammelten Erfahrungen auf dem Weg von A nach B. Ich spreche hier nicht nur aus dem Blickwinkel der Gestalterin. Auch als Konsumentin ist mir die Tiefe, der Reifungsprozess einer Idee oft wichtiger als ein schnelles Ergebnis. Aus meiner Sicht hat beides einen Platz, je nachdem, worum es geht und welchen persönlichen Stellenwert es hat.

Qualität vs. Quantität? Oder ist doch beides möglich?

“Mit KI generierst du mehr Output in kürzerer Zeit” heißt es. Und es stimmt: Neue Themenvorschläge für Blogartikel und Social Media Posts spucken ChatGPT und Jasper.ai in einem Tempo aus, von dem ich sonst nur träumen kann. Das Texten geht mir leichter von der Hand, wenn ich nicht auf einer weißen Leinwand beginne. Je nach Thema und Input ist das Ergebnis sogar so gut, dass nur mein Perfektionismus mich von der direkten Veröffentlichung abhält.

Für mich persönlich glaube ich, dass KI großes Potential hat, meinen Arbeitsalltag in bestimmten Bereichen zu erleichtern. Folgende Voraussetzungen müssen dafür jedoch erfüllt sein:

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Eine sorgfältige Auswahl des passenden KI-Tools für meine Zwecke

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Klarheit über das gewünschte Ergebnis – ich mache mir vorher eigene Gedanken zum Thema und sammle eigene Ideen.

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Zielführende Auftragsformulierung an die KI. Das beinhaltet: meine Fähigkeiten im Prompting ausbauen und optimalen Input geben.

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Output der KI überprüfen und nachbearbeiten – nicht nur inhaltlich, sondern auch stilistisch.

Referenzen auf Homepage Logos

Fazit: Ich freue mich auf meine Reise mit KI

Ich sehe sinnvolle Einsatzgebiete für generative KI-Tools wie ChatGPT, Jasper.ai & Co. Die Grenzen liegen aus meiner Sicht dort, wo es um echte Innovation, extrem vielschichtige Fragestellungen, um intuitive Bewertung von Situation und um Emotionen geht.

Aktuell liegt für mich der Schlüssel im bewussten Einsatz der Künstlichen Intelligenz als Hilfsmittel. Ganz gezielt als Assistenz in der Zuarbeit, doch nie ohne vorherige eigene Gedanken zum Thema (nicht faul werden an dieser Stelle, sonst läuft das irgendwann so wie mit dem Kopfrechnen). Und keinesfalls ohne Nachbearbeitung der Ergebnisse.

Die eingesparte Zeit ist für mich momentan noch nicht allzu groß, da ich noch viel experimentiere und wenig systematisch nutze. Doch ich stelle fest, dass ich dank KI leichter in einen Schreib-Flow komme… fast so, als würde ich vor dem Schreiben das Thema mit einer Sparringspartnerin diskutieren. Selbst wenn meine “KI-Muse” nicht so tief im Thema ist wie ich, bringt sie mich auf neue Ideen.

Bei all dem Staunen über die neue “Gesprächspartnerin” und der Freude über die (vielleicht zukünftig) gesparte Zeit liegt der Fokus für mich nicht auf massenhaftem Output, sondern vielmehr auf der Vertiefung meiner Qualitäten als menschliche Gestalterin: Echte Verbindung in der Kommunikation. Tiefe im Gestaltungsprozess, dort wo es ein intensives Eintauchen braucht. Analoges Experimentieren mit Farbe an den Händen. Und das Sammeln neuer Erfahrungen und Erlebnisse, die im Kopf kribbeln, wenn sie sich zu neuen Ideen verbinden.